4 - Politische Theorie II Herder Teil 2 [ID:13153]
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Liebe Studierende, weiter geht's. Ich spreche jetzt mittlerweile sehr knapp drei Stunden

am Stück mit kurzen Getränkepausen. Ich hoffe, dass meine Kraft ausreicht, den Herder noch

mit Anstand zu Ende zu bringen. Aber ich sage das ja nur, um dann ein bisschen auf Ihre

Nachsicht zu appellieren. Wenn ich mich verhasple, wahrscheinlich jetzt ein bisschen öfter,

dann hat das diesen Grund. Aber ich musste jetzt die Vorlesungen alle so kompakt halten,

weil nur so die Unterstützung hier der Profis vom Rechenzentrum möglich war. Also Ziel ist

ja bei allen Problemen, die wir in diesem Semester haben, mindestens die Technik optimal

zu nutzen und das war nur so möglich. Deshalb also an drei Tagen das gesamte Programm

des Semesters. Also schauen wir mal. Kurzer Rückblick, wir haben gesehen, Herder ist nicht

frei von Widersprüchen, aber er ist eben sehr komplex, Anreger vieler Tendenzen, Wegbereiter

des Historismus oder des historischen Relativismus, Kulturrelativismus, Vorläufer, Rankes und

Diltais in dieser Hinsicht. Wegbereiter des Historismus. Gleichzeitig aber auch Wegbereiter

Hegel oder Vorläufer Hegel, insofern er die Idee einer historischen Gesamtentwicklung

der Menschheit festhält, die dann durch verschiedene Stadien durchgeht. Er ist aber auch Wegbereiter

einer romantischen oder romantisierenden Aufklärungskritik, die sich dann mit seinem Historismus etwas

beißt. Also wie die späteren Romantiker hat er übrigens auch schon angefangen Volkslieder,

Volksballaden, Volksdichtung zu sammeln. Also auch da das Volk gegen die Elite, gegen

die intellektuelle Elite, auch so ein romantisierender Zug, der bei Herder schon ziemlich ausgeprägt

ist. Hinzu kommt noch etwas weiteres, das wir bislang nicht wirklich besprochen, nur

allenfalls ganz knapp angerissen haben, nämlich Herder weiß die Vielfalt der Sprachen zu schätzen.

Das ist etwas Neues. Bis dahin wurde Vielsprachigkeit fast durchgängig negativ gesehen, also wenn

man ihr überhaupt Beachtung schenkte. Also dahinter immer noch wirksam ein traditionelles

biblisches Motiv, dass die Menschen unterschiedliche Sprachen sprechen, ist Strafe Gottes für

den Turmbau zu babeln. Für die Hybris der Menschen, die Menschen, die sich anschickten

einen Turm zu bauen, der bis in den Himmel ragen sollte. Sie haben sich selber überhoben

die Menschen und dafür werden sie bestraft. Und die Vielsprachigkeit und damit die Verständigungsprobleme

der Menschheit sind die Folge. Dahinter steht übrigens eine Vorstellung, die lange, auch

noch bis in die Aufklärungszeit hinein von manchen gepflegt wurde, nämlich die Vorstellung,

dass ursprünglich die Menschheit eine Sprache gehabt habe, nämlich die Sprache Adams, die

lateinisch Linguadamica. Die Linguadamica, die wurde im Allgemeinen mit dem Hebräischen

identifiziert. Die Vorstellung war jedenfalls, Gott gibt den Menschen mit dem Akt der Schöpfung

eine Sprache, also den ganzen Wortschatz, die ganze Grammatik, alles in einem Schlag,

da muss der Mensch auch nichts entwickeln, das ist alles da, mit einem Schlag da. Geistbegabung

des Menschen, Sprachbegabung des Menschen, andere Begabung des Menschen, unmittelbar

von Gott gegeben, anfangs die einheitliche Sprache, dann mit dem Turmbaum zu Babel ist

das vorbei, also da haben wir dann die Vielsprachigkeit, Chaos, Missverständnisse, Konflikte. Okay,

die Linguadamica stieß bei Aufklärern dann natürlich eher auf Skepsis, also auch solche

biblischen Vorstellungen, die waren dann doch stark verblasst, dennoch hielten einige Aufklärer

fest an der Idee, dass es so etwas wie eine universale Wissenschaftssprache geben sollte.

Manche gingen so weit, dass sie sich eine Sprache vorstellen analog zum Zahlensystem

in der Mathematik, sozusagen völlig kulturenthoben, transkulturell, für alle unmittelbar zugänglich.

Diejenigen, die so weit nicht gingen, hielten dann aber doch daran fest, dass Wissenschaftssprache

was Besonderes ist und als Wissenschaftssprache galt Latein, später dann Französisch, im

Laufe des 18. Jahrhunderts wurde die deutsche Sprache auch zu einer Wissenschaftssprache

entwickelt, das war aber jetzt ein Riesenprojekt, Erweiterung des Sprachschatzes, also ein Riesenprojekt.

Aber jedenfalls die Wissenschaftssprachen im Plural waren wenige und der Rest der Sprachen

galt als unerheblich, das waren dann Bauerndialekte, die keine besondere Wertschätzung verlangten,

mit denen man sich nicht ernsthaft beschäftigte. Das ändert sich jetzt mit Herder ganz fundamental.

Also bei Herder sehen wir den Durchbruch zur Wertschätzung sprachlicher Vielfalt eng

verbunden auch mit der Wertschätzung kultureller Vielfalt. Im Hintergrund steht Herders Kulturanthropologie,

Teil einer Videoserie :

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:29:33 Min

Aufnahmedatum

2020-04-07

Hochgeladen am

2020-04-10 14:41:59

Sprache

de-DE

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